Stille

Stille

endgültig:

den letzten Weg gehen
den letzten Gruß hauchen
die lähmende Trauer zulassen

andauernd:

das lange Schweigen verstehen
den dunklen Schmerz ertragen
die wärmende Hoffnung bewahren

abwartend:

dem zarten Flüstern lauschen
das leise Summen hören
die sanfte Melodie genießen

Kaffeehausgeschichten

Es treffen sich im Kaffeehaus
vier Spezies aus der Herrenwelt.
Sie sehen recht manierlich aus
und einer ähnelt Lagerfeld.

Die Sonne scheint durchs Fensterglas,
beleuchtet diese vier Figuren.
Gemeinsam haben sie viel Spaß,
das Alter zeigt kaum böse Spuren.

Nach Mokka, Kuchen und Likör
steht einer auf, denn er muss gehen.
Den Andren fällt der Abschied schwer
und so bleibt er noch etwas stehen.

Sie schauen ihn bewundernd an:
Gestylt in Schwarz mit weißem Tuch
– ein wahrhaft eleganter Mann! –
ein Dress wie aus dem Bilderbuch.

Um den Look komplett zu machen
setzt er sich aus dunklem Glase
und mit einem kecken Lachen
eine Brille auf die Nase.

Im Kaffeehaus wird leis geraunt:
„Herrje! Dort steht Karl Lagerfeld!“
So Mancher ist doch sehr erstaunt,
denn Karl ist nicht mehr auf der Welt.

Der falsche Karl spürt jeden Blick,
fühlt sich beachtet und beschenkt,
fühlt sich nicht alt, fühlt pures Glück.
Ein Schelm, der Arges dabei denkt.

Ich lasse die Gedanken fließen:
Werd ich einmal genauso alt,
möcht meine Tage ich genießen
und wär auch gern so durchgeknallt.

Überraschung unter der Dusche

Wo gibt’s denn sowas? Kann das sein?
Aus dem Duschkopf plätschert Wein!
Will ich ihn ungern warm goutieren,
muss zum Kaltduscher ich mutieren.

Käme aus der Leitung Roter,
dächte man, da steckt ein Toter
frisch gemeuchelt hinter Fliesen.
Holla! CSI lässt grüßen!

Den Klempner kann ich doch nicht stören…
des Kleinkrams wegen mich beschweren…
so lasse ich es einfach laufen…
und kann sehr preiswert mich besaufen.

Die Zahncreme

In eine Tube reingequetscht,
von fremden Zähnen angefletscht,
befingert und dann rausgedrückt –
wer wird denn nicht dabei verrückt?

Nach zwei Minuten ausgespuckt,
vom Abfluss gnadenlos verschluckt.
Das Leben einer Zahncreme ist
aus ihrer Sicht: verdrehter Mist!

Strahlend weiß, auch mal gestreift,
sehr chic verpackt… bis sie begreift –
ihr Dasein hat nur einen Zweck:
Sie wird benutzt, man speit sie weg.

Sie endet in der Unterwelt,
was ihr natürlich nicht gefällt.
Wie schön sie’s doch vorm Spiegel hatte…
jetzt schwimmt sie neben einer Ratte.

Kaffeejunkies

Am frühen Morgen, noch im Dunkeln,
sieht man in der Küche funkeln
einen Hochglanzautomaten,
vor dem ein paar Leute warten.

Steht man am Ende dieser Schlange,
dauert es erschreckend lange
bis man an der Reihe ist,
während mancher schon genießt,
was die Maschine frisch gebrüht
duftend-warm in Tassen sprüht.

Sich Ungeduld zum Ärger steigert,
wenn die Maschine sich verweigert,
man auf dem Display lesen muss:
„Kaffeesatz…“ – und dann ist Schluss!

Selbst der liebevollste Chiller
mutiert zum wütenden Gorilla,
dass sofort und auf der Stelle
Hilfe komme – aber schnelle!

In Sekunden eilt herbei
die Kaffeebohnenpolizei,
leert den Trester, drückt zwei Knöpfchen,
streichelt das verstörte Köpfchen.

Der frische Kaffee ist ein Traum,
flott marschiert zum Klassenraum
ein entspannter Pädagoge,
befüllt mit seiner Lieblingsdroge.

klatschtratschmatsch

leises gezischel, genuschel, getuschel
unklares, halbgares, halbwahres

die köpfe zusammengesteckt
fremde fehler entdeckt
sich zum richter aufgeschwungen
die eigenen taten besungen
das ego poliert
mit blattgold verziert

ich frage dich: siehst du’s denn nicht?
was du tust ist erbärmlich, du wicht!

für dich

lass dir
deinen hauthunger
von erdbeerlippen stillen
deine träume in tautropfen gießen
für den dürstenden oase sein
vor dem morgengrauen noch
damit die sonne
dir nicht die haut verbrennt
die von nachtflammen erhitzte
von flüsternden lauten besprochene
von fingerspitzen besänftigte

lebensgespür

herausgefiltert
aus der brodelnden masse
im getön
reichen die schwingungen
deiner stimme
meinen grauen herzbeton
spröde werden zu lassen
feine risse
und zart sichtbares rot
langsam nur
aber stetig
weichwächserne abwehr
kann schmelzen und fließen
befreit mich
noch vorsichtig pulsierend
noch ängstlich zweifelnd
zögernd leben spüren

gefühlsfell

du beginnst
mein dichtes gefühlsfell
voller knoten und filz
mit deinen
fingerspitzen ganz sacht
zu entwirren
starre strähnen zu locken
schimmer zu entdecken
weichheit und duft
deine magie
lässt mich
die unruhe vergessen
und selbstzweifel
entdeckt mich neu
für mich
für dich

Verbindlichkeit

Die Gretchenfrage ist zur Zeit:
„Wie hältst du’s mit Verbindlichkeit?“

Just wenn man denkt, jetzt hat’s geklappt,
wird ein Termin doch noch gekappt.
Oft packt man seinen Koffer schon,
dann hört man plötzlich einen Ton:
In der Box liegt eine Mail –
die Absage geht furchtbar schnell,
während man von langer Hand,
Termin und Treffen hat geplant.

Passiert es öfter, wird’s zuviel.
Ich mag nicht mehr zum bösen Spiel
die freundlich-gute Miene machen.
Mir ist dabei kaum noch zum Lachen,
wenn so was zur Routine wird,
sich fest im Alltag integriert.

Modern und hip ist man zur Zeit
jedoch mit Unverbindlichkeit.